Yìmkxa

Die Beherr­schung des Bans­hee-Fän­gers, oder yìm­kxa, “Maul­bin­de”, ist eine unver­zicht­ba­re Fähig­keit für alle jun­gen Na’­vi, die schon in jun­gen Jah­ren mit dem Trai­ning mit die­sem Gerät begin­nen (zunächst als Spiel­zeug, dann for­mel­ler). Ein Na’­vi ver­bringt Jah­re damit, die rich­ti­ge Tech­nik zu ent­wi­ckeln, zunächst an Baum­stäm­men und dann an yerik. Wenn ein jun­ger Jäger die­se Tech­nik nicht beherrscht, wird er in der kri­ti­schen Pha­se von Ikni­ma­ya schei­tern, einem extrem wich­ti­gen Initia­ti­ons­ri­tus, bei dem ein Na’­vi sei­nen ikran fängt, bän­digt und sich mit ihm verbindet.

Bei die­sem Gerät han­delt es sich um eine Art Bola oder Las­so, das dazu dient, Tie­re zu bän­di­gen, und das auch zum Anbin­den des Tie­res ver­wen­det wer­den kann. Sie sind etwa 2,3 Meter lang und wer­den aus den Blät­tern der Rasier­klin­gen­pal­me — oder pxiut auf Na’­vi — her­ge­stellt, einer gewun­de­nen und wider­stands­fä­hi­gen Pflan­ze, die einem irdi­schen Palm­we­del ähnelt. Die yìm­kxa wird an einem Ende mit einem Stein beschwert. Die kleb­ri­ge, haar­ähn­li­che Unter­sei­te des Blat­tes hilft dabei, die Bola am Tier zu befes­ti­gen, ähn­lich eines Klett­ver­schlus­ses. Die Rän­der des Blat­tes sind abge­schlif­fen, damit man sich nicht schnei­det, denn sie sind von Natur aus rasiermesserscharf.

Wäh­rend Ikni­ma­ya muss sich ein jun­ger Na’­vi dem ikran nähern und das yìm­kxa schnell um das Maul des Tie­res wickeln und die Schnau­ze so ver­schlie­ßen. Wie ein irdi­sches Kro­ko­dil kann der ikran mit sei­nem Kie­fer zwar eine enor­me Biss­kraft aus­üben, aber in der Gegen­rich­tung kann er nicht viel Kraft auf­brin­gen, um den Kie­fer wie­der zu öff­nen. Daher hält die yìm­kxa, sobald sie ange­bracht ist, den ikran davon ab, sein Maul zu öff­nen. Der jun­ge Na’­vi kann nun auf den ikran sprin­gen, ohne befürch­ten zu müs­sen, gebis­sen zu wer­den, aber er oder sie muss schnell sein und den Kopf des ikran mit einem Griff nach unten rin­gen, bis des­sen Kinn sein Hals berührt.

Dies löst offen­bar eine Stress­re­ak­ti­on im ikran aus, die ihn am Weg­flie­gen hin­dert. Er flat­tert unbe­hol­fen mit den Flü­geln und steigt etwa einen Meter hoch in die Luft, kann oder will aber in die­sem Zustand nicht tat­säch­lich flie­gen, so wie ein Pferd eher auf der Stel­le bockt, als dass es vor­wärts läuft, wenn es ver­sucht, einen uner­wünsch­ten Rei­ter abzu­wer­fen. Selbst in die­sem Zustand ist der ikran aber immer noch ein furcht­erre­gen­der Wider­sa­cher. Er kann mit sei­nen lan­gen, sen­sen­ar­ti­gen Kral­len an den Greif­klau­en sei­ner Flü­gel nach dem Rei­ter schla­gen. Die­se Klau­en wer­den vom ikran bei der Jagd ein­ge­setzt und sind rasier­mes­ser­scharf. Ein ein­zi­ger gut plat­zier­ter Schlag könn­te einen jun­gen Möch­te­gern-Rei­ter aus­wei­den oder zumin­dest eine tie­fe, blei­ben­de Nar­be hin­ter­las­sen, die ihn oder sie an den gro­ßen Tag erin­nern würde.
Die jun­gen Na’­vi haben nur weni­ge Sekun­den Zeit, um ihr tswin mit den Fila­men­ten am Ende eines der bei­den kuru des ikran zu ver­bin­den. In die­sem Moment, der durch den anschlie­ßen­den ers­ten Flug besie­gelt wird, ent­steht ein lebens­lan­ges Band, das es dem Na’­vi und sei­nem ikran ermög­licht, mit ele­gan­ter, schein­bar mühe­lo­ser Koor­di­na­ti­on durch die Lüf­te zu flie­gen. Es sei erwähnt, dass ein unge­nau­er Wurf des yìm­kxa zum Tod vie­ler jun­ger Na’­vi durch einen erzürn­ten ikran geführt hat.

Ein jun­ger Na’­vi der Keku­n­an, wel­cher Taro­nyu hieß und vor Tau­sen­den von Jah­ren leb­te, gilt als der ers­te Na’­vi über­haupt, der sich mit einem ikran ver­band, und als Erfin­der des yìm­kxa. Der Legen­de nach blick­te Taro­nyu jeden Tag in den Him­mel und bewun­der­te die hoch­flie­gen­den Tie­re. In ihm bro­del­te der tie­fe Wunsch, eines Tages unter ihnen zu flie­gen. Mit jedem gewal­ti­gen Flü­gel­schlag eines ikran wur­de Taro­nyu von der anmu­ti­gen Krea­tur ange­zo­gen. Er glaub­te, eines Tages wür­den die ikran und die Na’­vi gemein­sam durch den Him­mel glei­ten. Und er woll­te der Ers­te sein, der dies tun wür­de. Die Her­aus­for­de­rung bestand dar­in, die wil­de Krea­tur zu fan­gen. Taro­nyu mach­te sich an die Arbeit; er flech­te­te halt­ba­re Blät­ter zu einem eng gewi­ckel­ten Seil und form­te ein Las­so, um den Hals des Tie­res zu sichern. Drei lan­ge Strän­ge, die mit Stei­nen beschwert waren, wür­den das Tier mit einem Schlag auf den Kopf bewusst­los schla­gen, ohne es nach­hal­tig zu schä­di­gen. Taro­nyu klet­ter­te hoch in die Ber­ge und stu­dier­te acht Tage lang uner­müd­lich einen bestimm­ten ikran. Am ach­ten Tag erwisch­te der Bans­hee-Fän­ger die Schnau­ze des Tie­res mit vier Schnal­zern des Las­sos, und bald dar­auf wur­de das Tier ruhig. Tri­um­phie­rend kehr­te Taro­nyu auf dem Rücken sei­nes ikran namens Rota­lyu zu sei­nem Clan zurück und erhielt den Titel Ikra­nä Mak­toyu, “ikran-Rei­ter”.